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silberfilm – Initiative für die Integration von Menschen mit Demenz

Inhaltsverzeichnis

Sabine L. Distler, Initiatorin von Curatorium Altern gestalten, hat sich eines wichtigen Themas in der Pflege angenommen: Wie können Menschen mit Demenz integriert werden? Im Auftrag von Relias Learning stellt die Autorin Susanne Diehm die engagierte Projektleiterin und vor allem deren Initiative silberfilm hier vor.

Für einen Moment abtauchen in eine andere Welt, sich mitreißen lassen in eine fremde Geschichte voller Spannung und wechselnder Emotionen, sich ansprechen lassen von ausdrucksstarken Bildern, mit oder ohne musikalische Untermalung und gleichzeitig das Zusammensein mit vielen anderen Menschen genießen – ein Besuch im Kino bedeutet immer auch angenehme Unterbrechung und damit Bereicherung des Alltags – unabhängig davon, ob der Besucher weiblich oder männlich, jung oder alt, gesund oder in irgendeiner Form gebrechlich ist.

Menschen mit Demenz einbeziehen – Filme im Kino schauen ist eine Bereicherung

Doch gerade ein entspannender Kinobesuch ist oft für Menschen mit Einschränkungen nicht erreichbar; ist für ältere und Menschen mit Demenz z. B. keine selbstverständliche Angelegenheit. Diese und andere Schieflagen unserer Gesellschaft – in der nach wie vor dringender Gesprächs- und Handlungsbedarf besteht, was das Thema „Inklusion“ anbelangt – hat das Curatorium Altern gestalten als Herausforderungen aufgenommen und in sein Engagement integriert.

Vielfalt und Lebensqualität: Dazu gehören Kultur- und Freiräume

Im Zusammenhang mit einer anderen Sicht auf das Alter, in der es nicht mehr darum geht, ein starres Rollenbild (meist außerhalb von aktiven sozialen Netzwerken) zu erfüllen, sondern das Alter neben anderen Lebensphasen als Prozess mit vielen Facetten gesellschaftlich anzuerkennen (auch und gerade, wenn Beeinträchtigungen vorliegen), werden Strategien erarbeitet, die es ermöglichen, mehr lebendige Verknüpfungen zwischen verschiedenen Generationen zu bilden, aber auch Vielfalt und Lebensqualität für eine „alternde“ Gesellschaft zu generieren. Dazu gehört die Erschaffung neuer, altersgerechter Kultur- und Freiräume genauso wie die Förderung von kultureller Teilhabe an schon vorhandenen Institutionen.

Im Gespräch mit Sabine L. Distler

Sabine L. Distler, eine energiegeladene, sehr herzliche Persönlichkeit, ist sowohl Diplom-Psychogerontologin als auch Diplom-Sozialpädagogin (FH) und eine der Initiatorinnen von Curatorium Altern gestalten. Sie beschreibt sich selbst gern als „Aktivistin des Alters“ und kann für ihr gegenwärtiges Engagement auf eine 20jährige Management- und Konzepterfahrung in der Altenpflege zurückgreifen. Neben vielen anderen fachübergreifenden Projekten hat sie die Aktion silberfilm ins Leben gerufen, um den Bedürfnissen des wachsenden Anteils älterer Menschen in unserer Gesellschaft gerecht zu werden, für die es immer noch nicht genügend kulturelle Angebote gibt. Das betrifft auch z. B. Filme, die sich an deren Lebenssituation orientieren und dabei nicht rückwärtsgewandt daherkommen: “Auch alte Menschen haben ein Recht, neue und gesellschaftsrelevante Filme zu sehen“, so formuliert es Sabine L. Distler. Nach ihren Beobachtungen werden Medien generell in Pflegeeinrichtungen oft noch nicht deren vielfältigen Möglichkeiten entsprechend eingesetzt.

silberfilm will Menschen im gemeinsamen Erlebnis zusammenführen

silberfilm organisiert Filmvorführungen für Menschen mit DemenzHier setzt die Initiative an, die gleich mehrere Ziele vereint: Generationsübergreifend und generationsverbindend will silberfilm erreichen, dass Menschen (auch mit körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen und besonders dementiell veränderte Menschen) zumindest zeitweise den eingefahrenen und oft physisch und psychisch belastenden Pflegealltag zu Hause oder im Heim hinter sich lassen können, um sich bei einem Kinobesuch zu entspannen und im öffentlichen Raum andere, neue Menschen zu treffen. „Wichtig ist hierbei das gemeinschaftliche Erlebnis, der Kinobesuch als Kommunikationsort und zugleich als Event; es ist ein Stück Normalität und Inklusion im Alltagsleben. Kino hat somit nicht nur eine kulturelle, sondern auch eine gesellschaftlich relevante Funktion.“, antwortet Sabine L. Distler auf unsere Frage, was ihr Anliegen für die Pflegenden und Gepflegten sei.

Überregionale Zusammenarbeit und neue Möglichkeiten für Medieneinsatz in der Pflege

In Bayern haben solche Kinonachmittage in den Jahren 2017 und 2018 – im Rahmen einer „lokalen Allianz für Menschen mit Demenz“ des zuständigen Bundesministeriums – bereits in Kooperation mit anderen Einrichtungen stattgefunden. Auf die Schwierigkeiten bei diesem Prozess angesprochen, meint Sabine L. Distler: „Erste Erfahrungen zeigen: Es gibt noch viele Hürden zu überwinden, von der löchrigen Infrastruktur in ländlichen Gebieten über fehlende Barrierefreiheit in vielen Kinos bis hin zur Festigung eines Netzwerkes mit vielen verschiedenen Partnerorganisationen vor Ort, die gewährleisten, dass das Angebot von silberfilm auch dort ankommt, wo es gebraucht und gesucht wird.“ Erklärtes Ziel bleibt weiterhin, möglichst viele Regionen, Städte, Kinos und Menschen zu erreichen. Daran arbeitet zurzeit ein Team von zwei hauptamtlichen und zwölf ehrenamtlichen Mitarbeitern. Zum Rahmenprogramm gehört die Möglichkeit für Angehörige und Pfleger, sich nach dem Film kennenzulernen, Erfahrungen auszutauschen, sich bei anwesenden Experten zu informieren oder auch neue Netzwerke zur gegenseitigen Unterstützung zu knüpfen.

Das Projekt silberfilm ist eingebettet in ein Thema, das für das Curatorium Altern gestalten eine große Rolle spielt; ein persönliches Anliegen von Sabine L. Distler: „Es geht um die Entwicklung einer neuen Medienkultur und, damit verbunden, den personalisierten Einsatz von Medien. Diese sollen idealerweise gewinnbringend für alle Beteiligten eingesetzt werden und nicht nur als hohler Pausenfüller oder kostengünstiger Ersatz für nicht ausreichende Pflegekapazitäten dienen.“

In diesem Zusammenhang bietet das Curatorium Altern gestalten interessierten Institutionen und Pflegeeinrichtungen an, Medienanalysen für die entsprechenden Bereiche zu erarbeiten und auf dieser Grundlage speziell zugeschnittene Medienkonzepte zu entwickeln.

Ein weiteres Angebot sind Fachtage und Schulungen für professionell Pflegende, die Möglichkeiten aufzeigen, wie Medien sinnvoll als Ergänzung der pflegerischen oder betreuten Tätigkeit eingesetzt werden können.

Filmauswahl für mehr Wärme

der Film Unterwegs mit Jacqueline ist sehr gut für Demenzkranke geeignetSpeziell für an Demenz erkrankte Menschen haben die Projektmitarbeiter von silberfilm eine besondere Filmauswahl erstellt: Neben guter Unterhaltung, einer verständlichen Erzählstruktur bzw. einer geradlinigen Handlung ohne hohe Spannungsbögen, einer tiefen Emotionalität und viel Humor ist vor allem ein entschleunigtes Tempo in den Filmen ein wichtiges Element. „Für Menschen mit Demenz in der Spätphase der Krankheit ist es zwar schwierig, sich länger als 15 Minuten aufmerksam auf etwas zu konzentrieren; für alle anderen Betroffenen jedoch ist es sehr gut möglich, das Dargebotene aufzunehmen und für viele Jahre bedarfsgerecht teilzuhaben“, so Sabine L. Distler.

Der Film „Unterwegs mit Jacqueline“ (2016), der mit großem Erfolg gezeigt wurde, beinhaltet die genannten Kriterien. Es ist eine liebevoll erzählte Geschichte über einen algerischen Bauern und seine Kuh, die zusammen eine Reise von einem kleinen Dorf in Algerien quer durch Frankreich nach Paris durchleben, um sich dort den Lebenstraum des Bauern zu erfüllen, nämlich einen Wettbewerb für die schönste Kuh zu gewinnen. „Eine Geschichte aus der Gegenwart, die durchsetzt ist mit kleinen humorvollen Abenteuern, aber auch mit ruhigen, einprägsamen Bildern; ein Film, der zum Lächeln und entspannten Zurücklehnen einlädt.“

Dass dieses Ziel erreicht wurde, deckt sich mit dem ein Kinobesuch sorgt für Gemeinschaftsgefühl, auch bei Menschen mit Demenzzentralen Anliegen von Curatorium Altern gestalten und silberfilm: „Gemeinschaftserlebnisse und damit Wärme zu schaffen und ein Stück weit weg kommen von der bloßen pflegerischen und medizinischen Versorgung älterer und beeinträchtigter Menschen in unserer Gesellschaft hin zu einem genussvollen Alltag“ – so wünscht es sich Sabine L. Distler. Wer sie so engagiert sprechen hört, den zieht es hinein in die Wärme des Kinos an einem silberfilm-Nachmittag.

Wir danken Sabine L. Distler herzlich für das Gespräch.


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Kurs des Monats: Expertenstandard – Beziehungsgestaltung bei Demenz

Validation und Empathie in der Pflege von demenzkranken Menschen

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Bildnachweis: Monkey Business – stock.adobe.com; Andreas Freihöfer; Alamode Film

ist Autorin und Bloggerin, Master of Creative and Biographical Writing, Kunst- und Kreativitätstherapeutin. Sie ist auf Initiative von Prof. Dr. Jalid Sehouli mit Schreibprogrammen zur Gesundheit an der Frauenklinik der Charité aktiv. Ihr Buch „Mit Schreiben zu neuer Lebenskraft“ ist beim Kösel-Verlag erschienen. Darüber hinaus berät sie Kliniken, Rehas und andere Organisationen, wie sie das Schreiben als wirksames Instrument zur Gesundheitsförderung einsetzen können. An der Psychiatrie der Charité erhält sie die Förderung des Gesundheitsfonds für ein Konzept zur Entlastung und Stärkung von Mitarbeitern in der Pflege. In der Vorstandsarbeit der Europäischen Künstlergilde für Medizin und Kultur setzt sie sich für eine ganzheitliche Medizin ein.
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