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Von | 26. September 2017

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In den vorherigen Teilen dieser Serie wurden der Auszubildende Peter und sein Praxisanleiter Ulrich vorgestellt. Im Rahmen der Anleitung von Peter in seinem ersten Praxiseinsatz sind einige Fragen hinsichtlich der Struktur, Organisation und vor allem Methodik der Praxisanleitung aufgetaucht. In diesem Beitrag soll es um die Leittextmethode als Anleitungsmöglichkeit gehen.

Leittextmethode in der praktischen Ausbildung

Peter fühlt sich gut durch Ulrich betreut. Immerhin kann er jetzt sicher subkutan injizieren. Durch das Lernen am Modell konnte sich Peter diese Technik in der letzten Woche aneignen. Zufrieden geht er am Ende der Woche nach Hause und berichtet seiner Klassenkameradin Katharina von seinem Fortschritt. Katharina wiederum erzählt ihm von ihrer Praxisanleiterin, und dass diese mit ihr die Leittextmethode durchgeführt hat. Interessiert folgt Peter den Ausführungen von Katharina….

Nach dem Telefonat beginnt Peter mit seiner Recherche zu der Thematik und findet folgende Ausführungen:

Die Leittextmethode wird als Methode verstanden, die in der beruflichen Bildung genutzt und dem praktischen Lernen zugeordnet wird. Ihr Ziel ist es, selbstgesteuertes Lernen zu unterstützen und zu fördern. Dabei muss diese Methode vielmehr als Weiterentwicklung der Projektmethode und der 4-Stufen-Methode der Unterweisung – nach dem Modell der vollständigen Handlung nach Rotluff – verstanden werden. (Mamerow 2006, S. 102)

Auch wenn diese Methode wissenschaftlich anerkannt ist und u. a. in der Pflegeausbildung angewendet wird, gibt es kritische Stimmen, die vor allem die mangelnde Situationsbezogenheit und Prozessorientierung der Methode in Frage stellen (ebd.). Als Kernaussage zur Leittextmethode findet Peter folgende Aussage: „Die Leittextmethode basiert auf dem Gedanken der Handlungsorientierung und des vollständigen Handelns beim Bewältigen einer Aufgabe.“ (Mamerow 2006, S. 10

Das didaktische Element der Leittextmethode sind die Leittexte, welche die 6-Schritte der Methode gewährleisten sollen. Zu den 6 Schritten recherchiert Peter folgende Tabelle:

Informieren Lernende machen sich mit einer Aufgabe vertraut und bearbeiten eigenständig die dazu notwendigen Informationen
Planen Schritt der Handlungsvorbereitung:

Die Lernenden entwickeln eine, für die Situation notwendige, Vorstellung der Handlungsschritte. Dies wird in eine konkrete, schriftlich formulierte Abfolge der Arbeitsschritte umgesetzt

Entscheiden In diesem Schritt folgt die Zusammenarbeit mit dem Anleiter oder der Anleiterin. Es wird evaluiert inwiefern die Arbeitsschritte zu Lösungen führen und ob sich Lücken in der Planung finden lassen
Ausführen Insofern die Schritte 1-3 sorgfältig durchgeführt wurden, kann in diesem Schritt die Aufgabe selbständig durch den Lernenden durchgeführt werden
Kontrollieren Dieser Schritt soll die eigene Arbeit reflektieren und zur Selbstbewertung führen. Zudem erstellt der Anleiter oder die Anleiterin eine Bewertung. Dies erfolgt zunächst schriftlich und unabhängig voneinander
Auswerten Das entstandene Auswertungsprotokoll bildet die Basis für das sich anschließende gemeinsame Fachgespräch. Zielsetzung sind:

1.  Ursachen und Folgen der Lernleistung zu erkennen,

2.  Kriterien für Arbeitshandlungen zu entwickeln,

3.  das Handeln abschließend zu bewerten und

4.  notwendige Verbesserungen zu initiieren

(6-Schritte der Leittextmethode, vgl. Mamerow 2006)

Peter geht mit folgender Gedankenstütze in den in den morgigen Frühdienst, welchen er zusammen mit Ulrich bestreitet: Leittexte sind schriftliche Arbeitsmaterialien, die Lernprozesse gezielt und planmäßig strukturieren. (Mamerow 2006, S. 103)

Im Rahmen der Frühbesprechung erzählt Peter Ulrich von der Leittextmethode und fragt ihn nach seinen Erfahrungen.

Ulrich führt aus, dass es sich weniger um vorformulierte Texte, als um gezielte Leitfragen handelt. Ziel ist es nicht Informationen zu präsentieren, sondern dass sich die Lernenden selbstgesteuert die notwendigen Inhalte zur Bearbeitung der Leitfragen aneignen. Wichtige Elemente sind Leitfragen zur Strukturierung eines Themas und ein Arbeitsbogen mit Hinweisen, wie das Thema zu erarbeiten ist. Da sich Peter dies schwer vorstellen kann, zeigt ihm Ulrich einen Entwurf zum Thema Schmerztherapie, welche die Station individuell im Rahmen ihres Anleitungskonzeptes entworfen hat:

Leittext/ Leitfragen

Schüler/Schülerin: ………………………………………………………

Ausbildungssemester: …………………………………………………

Fachbereich: ………………………………………………………………

Pflege von Patienten und Patientinnen mit Schmerzsymptomatik

Aufgabenstellung:

Liebe(r) Auszubildende(r),

stell dir vor, Du bist für die Pflege von Frau ………………………………………… zuständig. Die Patientin leidet seit nunmehr 1 Jahr unter drückenden Schmerzen im LWS-Bereich die zeitweise ins linke Beil ausstrahlen.

Die folgenden Leitfragen sollen es dir ermöglichen fundierte Kenntnisse und Fertigkeiten anzueignen.

Die Kombination aus fachlichem Wissen und Krankenbeobachtung soll so gefördert werden.

Für die Beantwortung der folgenden Fragen wird dir ein angemessener Zeitraum und geeignete Quellen zur Verfügung gestellt.

Das Ergebnis wird dann ausgewertet und mit deinem/r Praxisanleiter/-anleiterin auf Station besprochen.

Wir wünschen dir gutes Gelingen!

Informationsquellen

Lehrbuch für Krankenpflege, Internet, Hygienerichtlinien u.a. im Intranet, Patienten und Patientinnen, Mitarbeitende

Leitfragenkatalog zur Pflege von Patienten und Patientinnen mit Schmerzsymptomatik

Leitfrage 1

Suche dir bitte eine geeignete Quelle und beschreibe kurz den symptomatischen Unterschied zwischen akutem Schmerz und chronischen Schmerz. (je 3 Punkte)

Leitfrage 2

Was bedeutet „NRS“ und wie ist diese eingeteilt?

Leitfrage 3

Wie erklärst/berätst du die Patientin hinsichtlich der Einstufung ihrer Schmerzen von (0 -10) wenn sie dir sagt, dass sie mit den Zahlen gar nichts anfangen kann?

(mögliche Aufbau von Leittextfragen in Kontext praktischer Anleitung, eigene Darstellung ohne Anspruch auf Vollständigkeit)

Ulrich führt weiter aus, dass dieser Leittext 10 Fragen zum Thema Umgang mit Schmerzpatient*innen und beinhaltet. Die Idee hinter diesen Leittextfragen, wird mit der schwerpunktartigen Betreuung von Schmerzpatient*innen auf dieser Station begründet.

Im selbstgesteuerten Arbeiten mit zuvor fest definierten Zeitfenstern (bspw. ein gesamter Frühdienst, Zeitraum zwischen Einführungs- und Zwischengespräch etc.) setzen sich die Lernenden mit gezielten Fragestellungen auseinander. Durch einen folgenden Austausch mit dem Praxisanleiter oder der -anleiterin zu den Ergebnissen sollen dem Lernenden wesentliche Aspekte der individuellen Betreuung für die gekennzeichnete Thematik zugänglich gemacht werden.

Peter ist von dieser Idee begeistert und sagt mit einem zwinkernden Auge: „Na und außerdem bietet sich das ja für uns Auszubildende an, wenn ihr Praxisanleiter mal viel im Dienst zu tun habt…“. Ulrich quittiert dies mit einem Lächeln. Peter fragt Ulrich, warum diese Methode nicht immer eingesetzt wird?

Zu den Grenzen der Methode führt Ulrich aus:

  • Funktionszusammenhänge bleiben in großen Teilen unklar
  • Konzeption ist abhängig von (pflege)wissenschaftlicher Ausbildung der Anleitenden
  • Individuelle, patientenorientierte Problemlösungen geraten in den Hintergrund
  • Der Erfolg der Methode ist sehr abhängig von individuellen Fähigkeiten der Lernenden und von den Informationsquellen, welche die Lernenden nutzen bzw. die Station zur Verfügung stellt (vgl. Mamerow 2006, S. 103)
  • Die Nachhaltigkeit der Methode ist schwer nachzuvollziehen
  • Erfolg ist zudem abhängig von der Auswertung bzw. dem Feedback des Anleitenden

Peter bedankt sich für die Ausführungen und startet sofort mit der Bearbeitung der Leittextfragen zum Thema Schmerztherapie…

 


Teil 1 der Serie: Praxisanleitung in der Ausbildung für die Gesundheits- und Krankenpflege

Teil 2 der Serie: Praxisanleitung in der Ausbildung: Lernen am Modell

Teil 3 der Serie: Leittextmethode

Teil 4 der Serie: OSCE als Form der Anleitung

Teil 5 der Serie: Praxisanleitung vs. Praxisbegleitung –  und das Lernen im dritten Lernort?


 

Literatur:

Mamerow, R (2006): Praxisanleitung in der Pflege. Heidelberg, Verlag: Springer Medizin Verlag.

Robert Rath

war als examinierter Gesundheits- und Krankenpfleger über 7 Jahre in der stationären Pflege an der Berliner Charité beschäftigt. Dort arbeitete er im Fachbereich Hämatologie und Onkologie und war spezialisiert auf die Versorgung von chronischen Wunden und die praktische Anleitung von Auszubildenden und Praktikanten. Zusätzlich hat Herr Rath 3 Jahre lang Gesundheitswissenschaften an der Charité studiert und den akademischen Grad Bachelor of Science erworben. Gelegentlich war er Lehrbeauftragter für das Thema Wundversorgung im Studiengang Bachelor of Nursing der Evangelischen Hochschule Berlin. Derzeit ist er Curriculum Designer bei Relias.

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