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Corona in der Pflege: Die Angst vor Ansteckung & Co mindern

Inhaltsverzeichnis

Täglich applaudieren wir Ärzten, Krankenschwestern und Pflegenden, die in der Corona-Krise zusehends mehr Patienten betreuen und lange Schichten arbeiten. Es drückt die Wertschätzung ihrer Arbeit aus, sendet aber auch den Aufruf mit: „Haltet durch!“

Wie gehen die Pflegeprofis in den Kliniken mit dem Risiko der Ansteckung mit Covid-19 um? Und auch mit der Angst um sich selbst und die eigene Familie? Und wie können Menschen in der Pflege fürsorglich mit sich selbst umgehen?

Auch in diesem Blogbeitrag bieten wir Dir das respektvolle „du“ an. Übungen und Impulse erreichen dich besser, wenn wir dich persönlich ansprechen.

Anja Voigt, Betriebsrätin und Krankenschwester auf der Intensivstation des Vivantes Klinikums Berlin Neukölln, antwortet in einem rbb-Interview am 24.3.2020 auf die Frage, ob sie in ihrer tagtäglichen Arbeit mit Corona-Patienten keine Angst vor Ansteckung habe: „Ich blende das total aus. Man könnte ja gar nicht arbeiten, wenn man die Patienten versorgt und ständig Angst hat.“

Angst ist eine natürliche Reaktion

Bei aller Professionalität: Angst ist bei Bedrohung eine natürliche und gesunde Reaktion. Angst hilft uns dabei, Gefahren zu erkennen, sorgt vorbeugend dafür, dass Ärzte, Krankenschwestern und Pflegende auf Schutzmaßnahmen achten und Hygienevorschriften einhalten. Ein guter äußerer Rahmen trägt dazu bei, dass Ängste gemindert werden. Aber: Wir alle sind gerade im Ausnahmezustand. Hangeln uns von Tag zu Tag. Hoffen darauf, dass die Rahmenbedingungen ständig verbessert werden. Was ist Hysterie, was ist Fakt? Das Thema ist sehr komplex, einen Zwischenbericht gibt der international tätige Facharzt Prof. Dr. med. Dr. h.c. Paul Robert Vogt in seinem Gastkommentar und vielen anderen Medien.

Am Donnerstag, 16. April war in den ARD-Tagesthemen das Interview von Caren Miosga mit Lyn Anne von Zepelin, Pflege-Leiterin von zwei Stationen der Uniklinik Freiburg, eine davon  die Covid-19-Intensivstation, zu hören.

Zum Thema Angst und eigene Sicherheit sagt sie: „Da muss man einen Weg finden, mit der Bedrohung umzugehen – wir wissen uns jetzt zu schützen.“

Motive kennen, die eigene innere Haltung wachhalten

Sehr schnell geht es bei Pflegekräften unter solch ungewöhnlichen Bedingungen auch um die eigene innere Haltung. Warum bin ich überhaupt hier? mag sich die eine oder andere fragen. Was war meine Motivation, in diesen Beruf einzusteigen? Bin ich „…gekommen, um zu bleiben?“, wie die Gruppe Wir sind Helden singt. Welche innere Haltung ist hier hilfreich?

Bei Andrea Güner, Krankenschwester an der Charité Berlin entstand der Berufswunsch aus ihrer Biografie. Sie war als Kind oft im Krankenhaus und besuchte dort ihre Mutter, bis diese an Krebs verstarb. Andrea hat das Krankenhaus als einen Raum empfunden, in dem es Schutz und Hilfe gab. So wollte sie schon in der Grundschule Krankenschwester werden.

Anderen Schutz und Hilfe zu geben, ist ein langanhaltendes Motiv; sich auf die Herausforderungen einzulassen, die der Alltag im Pflegebereich stellt und durchzuhalten. Andrea hat bislang vier Jahrzehnte Berufserfahrung und nach Bewältigung einiger Krisen wieder Freude an ihrer Arbeit. Wir haben Andrea befragt, wie sie mit dem Thema Angst umgeht, speziell in der Zeit der Corona-Pandemie.

Frage: Hast Du keine Sorge, Dich mit Covid-19 anzustecken bei Deiner Arbeit?

Andrea Güner: Ängste bezüglich des neuen Corona-Virus habe ich nicht. Ich habe Respekt und verhalte mich entsprechend vorsichtig. Nach 40jähriger Tätigkeit in diesem Beruf habe ich mich noch nie bei einem Patienten ernsthaft angesteckt. Nicht einmal in der Rettungsstelle!

Der Beruf der Krankenschwester hat Risiken, aber wenn das pflegende Personal Hygienevorschriften und Regularien einhalten kann, dann ist es nicht gefährlicher als ein anderer Beruf, so ist die Haltung in Internet-Foren, die Krankenschwesterschülerinnen beraten. Zudem haben wir nicht immer Kontrolle über das Leben, auch wenn wir das so gerne glauben. Wie sagt es Erich Kästner so schön: „Das ganze Leben ist lebensgefährlich“. Auf die leichte Schulter nehmen kann man das Risiko der Ansteckung trotzdem nicht, denn blickt man nach Italien, so ist dort sind schon eine hohe Anzahl des Fachpersonals betroffen. Am Montag, dem 30. März, waren seit Beginn der Epidemie 62 Ärztinnen und Ärzte gestorben, mehr als 2.600 medizinische Pflegekräfte haben sich zudem mit dem Virus infiziert. Der Dachverband der italienischen Ärztekammern führt, von einem Trauerflor umrahmt, auf seiner Internetseite eine Liste der verstorbenen Kolleginnen und Kollegen. Mittlerweile trauert die Ärztekammer um über 100 Ärzte, die an Covid-19 verstorben sind.

Frage: Was wäre, wenn Du und Deine Kolleginnen die Angst vor Ansteckung im Moment zu sehr an Euch heranlassen würdet?

Andrea Güner: Tatsächlich, bei meiner Arbeit im Krankenhaus ist die Angst bzw. Panik ein großer Feind, denn sie kann zu mangelnder Konzentration und Fehlhandlungen führen. Das können wir uns nicht leisten.

Das bedeutet, dass man einen Weg finden muss, mit der Angst umzugehen, damit sie nicht zur unkontrollierbaren Panik vor realen oder empfundenen Bedrohungen wird und blockiert…

Frage: Welche Haltung hilft Dir dabei?

Andrea Güner: Ängste generell hat ja jeder Mensch, sie dienen dem Schutz vor Gefahren. Jeder entscheidet für sich, wie er damit umgeht: zu kämpfen und die Angst damit zu besiegen – oder zu flüchten. In meinem Leben durfte ich lernen, dass für mich der Kampf die bessere Variante ist. Ich habe mich meinen Ängsten gestellt.

Mit den Fragen: Ist die Angst realistisch, ist sie zielführend, kann ich die Situation, die mir Angst macht, verändern – so hat man die ersten Impulse für eine konstruktive Herangehensweise. Angst blockiert, Angst hat Macht.

 


Übung: Stell Dich Deiner Angst und beantworte Dir diese Fragen:

Wovor habe ich Angst? Ist es eine berechtigte Sorge oder steigere ich mich unnötig hinein? Kann ich die Situation, die mir Angst bereitet, verändern? Mit wem kann ich darüber reden? Was hilft mir noch?


Es wird helfen, sich mit Menschen zu umgeben, die einen nicht noch weiter in die Angst hineintreiben, sondern die ruhig und besonnen sind. Mit denen man auch über andere Themen reden kann als nur Corona. Denn Corona sei zeitbegrenzt, keine Dauerbelastung wie eine chronische Krankheit. Diesen Gedanken sich zu vergegenwärtigen kann helfen. So rät es Psychologin Ulrike Scheuermann. Selbstverantwortlich für guten Schlaf sorgen ist ein weiterer ihrer Tipps. Nach der Arbeit nicht noch stundenlang Corona-News konsumieren, sondern etwas tun, das einem hilft, sich zu entspannen. Übermäßiger Medienkonsum überflutet und treibt in die Überforderung – Spazieren gehen oder Sport kann entspannen.

Frage: Wie stellst Du eine gute Balance zwischen Beruf und Privatleben her?

Andrea Güner: Eine gute Balance zwischen Beruf und Privatem herzustellen, ist nicht so einfach. Ich musste das erst lernen und dazu musste ich auch erkennen, dass ich Bedürfnisse habe und welche es überhaupt sind. Achtsamkeit und Abgrenzung sind unbedingt erforderlich, um dem drohenden „Burnout“ zu entkommen. Ich gehe, so gut ich kann, meinen Bedürfnissen nach und nehme mir Zeit.


Übung ABC-DARIUM:

Zur Wohlfühlzeit: Was hilft mir zu entspannen? Wie kann ich meine Batterien wieder aufladen? Schreibe die Buchstaben des Alphabets untereinander und finde zu jedem Buchstaben eine Aktion, die dich entspannt: A wie Atemübung und B wie Badesalz? Was ist es für Dich? Liste es auf. So trägst Du die Quellen Deiner Entspannung zusammen und behältst sie im Blick


Frage: Wie gehst Du mit Erlebtem um?

Andrea Güner: Wir haben an der Charité in einem Pilotprojekt einen Kurs mit Kunsttherapeutischem Kreativem Schreiben etabliert. Schreiben und künstlerisch aktiv sein hilft nicht nur zu entlasten, sondern es stärkt, wenn man den Blick auf die eigenen Ressourcen wirft.

Das Gesundheitsfördernde Kreative Schreiben stellt viele Methoden zur Verfügung. Wer für Alltag oder zur Prävention hilfreiche Übungen sucht: Hier geht es zu unserem Webinar, dort vertiefen wir das Thema und zeigen, was die künstlerischen Therapien und Yoga an stärkenden Methoden zu Verfügung stellen, das ist der Mix, wie wir ihn in unseren Seminaren anbieten.

Darüber hinaus gibt es auf der Schreibtour-Seite ausführliche Anregungen, wie man mit dem Gesundheitsfördernden Kreativen Schreiben (Ablenken, Entlasten, Stärken, Verdichten und Verankern) gut für sich sorgen kann. Je nach Vorliebe können auch Übungen zu Körper, Atem, Emotion hilfreich sein; wichtig, der Angst Vertrauen entgegenzusetzen, wie die Achtsamkeitstrainerin Tanja Kaempffer-Kowalewski es beschreibt.

Die Unterschiede zwischen Furcht, Angst und Panik und wie man damit umgeht, sind gut erklärt im Buch des Buddhisten und Meditationslehrers Wilfried Reuter. „Angst-frei-sein.“ Dort gibt es viele Empfehlungen, wie man ein angstfreies Leben führen kann – auch nach Corona.


Bildnachweis: 1STunningART – stock.adobe.com.

ist Autorin und Bloggerin, Master of Creative and Biographical Writing, Kunst- und Kreativitätstherapeutin. Sie ist auf Initiative von Prof. Dr. Jalid Sehouli mit Schreibprogrammen zur Gesundheit an der Frauenklinik der Charité aktiv. Ihr Buch „Mit Schreiben zu neuer Lebenskraft“ ist beim Kösel-Verlag erschienen. Darüber hinaus berät sie Kliniken, Rehas und andere Organisationen, wie sie das Schreiben als wirksames Instrument zur Gesundheitsförderung einsetzen können. An der Psychiatrie der Charité erhält sie die Förderung des Gesundheitsfonds für ein Konzept zur Entlastung und Stärkung von Mitarbeitern in der Pflege. In der Vorstandsarbeit der Europäischen Künstlergilde für Medizin und Kultur setzt sie sich für eine ganzheitliche Medizin ein.
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